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Belastungen, Traumata und ihre Folgen – die (Wirk-)Macht von sozialen Beziehungen

Mit zu den häufigsten Ursachen für Traumata zählen – neben körperlicher oder seelischer bzw. emotionaler Gewalt – Trennung, Verlust und Schmerz-Erleben.


Verlust und Belastung


Vor kurzem musste eine sehr gute Freundin von mir einen schweren Verlust erleben, denn ein enger Freund ist mit Mitte 30 an Krebs erkrankt und leider auch daran verstorben. Daraufhin haben sich für meine Freundin alle möglichen Fragen aufgeworfen, die das Thema Verlust auch in der eigenen Familie betreffen. Der Schmerz, den sie empfindet, ist groß und auch die Sorgen, die sie sich macht. Die Fragen, die sie sich stellt, sind berechtigt und es macht auch Sinn Pläne zu haben, für den Fall, dass man selbst in eine ähnliche Situation kommt. Manchmal sind ihre Kinder und ihr Alltag auch die Ablenkung, die sie braucht, damit sie sich nicht völlig in diesen beängstigenden Gedanken verliert. Sie sind genau die Art sicherer Bindung, die sie braucht, die ihr Halt und Kraft geben. Aber alles ändert nichts an der Tatsache, dass sie selbst diesen Verlust erlebt und diesen Schmerz und die Tränen durchleben muss, um den Tod des Freundes zu verarbeiten. Ihr hilft es darüber zu reden und den Gefühlen, die sie beschäftigen, einen Namen zu geben und damit Ausdruck zu verleihen.


Das ist nicht nur bei Verlusterlebnissen durch den Tod einer Person der Fall, sondern auch bei Trennung durch das Ende einer Beziehung oder – leider sehr aktuell – durch Trennung bedingt durch Krankheit oder Krieg. Fakt ist: In irgendeiner Form wird man hierbei von einer nahestehenden Person verlassen – ohne unser Zutun, ohne unsere Meinung berücksichtigt zu haben, ohne unseren Willen – denn die Entscheidung liegt dabei nicht bei uns. Das gibt uns das Gefühl machtlos zu sein und, in dieser bestimmten Situation zumindest, keine Kontrolle zu haben. Durch einen plötzlichen Verlust haben wir keine Möglichkeit mehr zu argumentieren, wir können nur akzeptieren, versuchen zu verstehen und entsprechend reagieren.


Jeder von uns weiß, auf die eine oder andere Art, wie es sich anfühlt verlassen zu werden – definitiv kein schönes Gefühl. Vor allem da sich oft Wut, Trauer, Ärger, Unverständnis, Sehnsucht und Liebe mischen. Manchmal fällt es aber auch schwer, das Erlebte, Gefühle oder Körperempfindungen zu benennen – erst recht, wenn man noch ein Kind ist. Klar jedoch ist: Wir verlieren etwas – allem voran verlieren wir hierbei oftmals das Gefühl der Sicherheit. Die Sicherheit und Geborgenheit, die uns eben jene Bindung vermittelte. Und Sicherheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen.


Ordnung im Gefühlschaos


Egal ob es um das Ende einer Beziehung geht, den Tod eines geliebten Menschen oder Freunde, deren Wege sich trennen. Das alles hinterlässt Spuren. Gefühle, mit denen man manchmal schwer umgehen kann. Gefühle, die schmerzen. Und niemand ist davon befreit, aber das ist ok so.

Wir dürfen negative Gefühle, wie Schmerz, erleben und wir müssen es zum Teil sogar. Denn was wäre ein Leben ohne Liebe? Ein Leben ohne Gefühle? Wir müssen Liebe oder Gefühle nicht komplett ablehnen, um uns vor Schmerz zu schützen, wir müssen nur einen Weg finden, mit den entstehenden Gefühlen umzugehen – egal ob positiv oder negativ. Selbst Glücksgefühle müssen ausgehalten werden können.


Wie also machen wir das? Wie stellen wir wieder Sicherheit her, wenn wir das Leben und unsere Gefühle nicht kontrollieren können? Sich vom Leben und jeglichen Emotionen abzuschirmen bzw. zu isolieren oder zu dissoziieren ist jedenfalls nicht die Lösung.


Sicherheit


Um Sicherheit (wieder) zu gewinnen, müssen wir zuerst den Grund für das entstandene Gefühl der Unsicherheit kennen und auch, was Sicherheit für die jeweilige Person, per Definition, überhaupt bedeutet. Denn auch dies kann von Person zu Person variieren.

Nach Maslow zählt das Sicherheitsgefühl – wie unsere physiologischen Grundbedürfnisse (wie Essen und Trinken) – mit zu den Defizitbedürfnissen, was bedeutet, dass bei Nichterfüllung dieser Bedürfnisse körperliche oder geistige Störungen zu erwarten sind. Das zeigt, wie wichtig dieses Bedürfnis nach Sicherheit für uns als soziale Wesen ist.


Fest steht: Unbekannte Dinge machen Angst. Alles, was uns fremd erscheint und wir zunächst nicht einordnen können, führt zu Verunsicherung. Zum Beispiel Gefühle, Körperempfindungen oder Gedanken, die man nie zuvor hatte und mit denen man nicht umgehen kann. Das kann ziemlich überwältigend sein. Vor allem für ein Kind, das keinen Namen für das Erlebte hat. Ein Kind, das nicht versteht, warum es Dinge fühlt und was es eigentlich fühlt.

Daher sind Gespräche über unser Empfinden so wichtig und dazu zählt auch zu lernen, Erlebnisse überhaupt verbalisieren zu können und ihnen somit Ausdruck zu verleihen. Das weiß auch jeder Therapeut.

Durch Beschreibung kann Verständnis entstehen und dadurch die Möglichkeit Dinge einzuordnen, ihnen einen Namen und – auf gewisse Weise – auch einen Sinn zu geben. Und damit erscheint diese Emotion oder Körperempfindung auch nicht mehr so übermächtig und beängstigend – sie verliert an Macht über uns und unsere entsprechenden (irrationalen) Reaktionen darauf.


In der Therapie fällt es manchen Menschen verständlicherweise sehr schwer, das Erlebte verbal wiederzugeben. Denn mit der Erzählung eines Geschehnisses wird es gleichzeitig zur Realität, wir erkennen damit an, dass es tatsächlich passiert ist und das tut weh. Daher kann es auch sinnvoll sein diesen Ausdruck erst einmal über den Körper zu finden oder in Bildern zu arbeiten.


Neurophysiologische Hintergründe


All unsere Gefühle, Emotionen, Körperempfindungen, Gedanken und Bilder müssen verarbeitet werden und das jeden Tag. Sind diese durch ein Erlebnis besonders stark ausgeprägt oder gar überwältigend, werden sie von unserem Gehirn anders verarbeitet. In dem Moment, in dem solch eine Erfahrung unser System überlastet bzw. uns überwältigt, fehlt uns die Fähigkeit, das Geschehen auf angemessene Weise zu verarbeiten. Das Erlebte wird im neuronalen Netzwerk zwar abgespeichert, jedoch oftmals fragmentiert bzw. unvollständig. Dies kann für uns künftig zum Problem werden, das sich im Alltag auf verschiedenste Weise äußern kann. Man kennt dies in extremen Fällen bei der PTBS, der posttraumatischen Belastungsstörung.


PTBS kurz erläutert: Hierbei äußert sich das nicht adäquat verarbeitete Erlebnis/Trauma in Form von wiederkehrenden Erinnerungen (Flashbacks oder Träumen) an das Ereignis, Vermeidung von Aktivitäten oder Menschen, vegetative Übererregung mit Panik, Herzrasen oder Untererregung mit Lethargie, Teilnahmslosigkeit, depressiver Verstimmung, Gefühle der Leere, abrupten Stimmungsschwankungen wie Wutgefühle oder Schamreaktionen, Schlafstörungen u.v.m.


Folgen


Besonders die PTBS geht oftmals mit Substanzmittelmissbrauch einher (ein fehlgeleiteter Versuch zur Eigentherapie) und körperliche Folgestörungen sind daher nicht selten.


Allgemein gilt: Durch permanente Über- oder Untererregungszustände kommt es zu einer intensiven Beanspruchung des zuständigen Hirnareals und einer dauerhaften Hormonausschüttung, die zu zerebralen Schäden führen kann. Die Forschung hat nachgewiesen, dass diese Form der Schädigung die Entstehung demenzieller Erkrankungen begünstigen kann. Menschen mit Traumata haben demnach ein doppelt so hohes Risiko an Demenz zu erkranken, wie geheilte oder nicht traumatisierte Menschen.


Therapie


Das Verständnis für gewisse (neuronale) Körpervorgänge und Zusammenhänge kann daher immens wichtig sein, wenn es darum geht, Sicherheit zurückzugewinnen und Erlebtes auf gesunde Weise zu verarbeiten und zu integrieren. Und diese Vermittlung des Verständnisses – auch Psychoedukation genannt – ist ein Auftrag, der jedem Therapeuten mitgegeben ist und der Teil der Arbeit sein sollte, wenn man Menschen bei der (seelischen) Heilung unterstützt.


Meine Freundin hat einen Weg gefunden mit ihren Gefühlen, wie Kummer und Schmerz, umzugehen. Ihren Weg. Denn jeder hat hierbei seinen eigenen. Es gibt viele Möglichkeiten mit belastenden Erfahrungen umzugehen. Das Spektrum reicht von Aktivitäten, die uns guttun und Spaß machen, wie Reden, Schreiben, Tanzen, Musik machen, Malen, Singen, Sport, usw., bis zu den verschiedensten therapeutischen Methoden, wie EMDR, Gesprächstherapie, katathym-imaginative Psychotherapie, Körperpsychotherapie und unzählige mehr. Ihr müsst nur den für euch passenden Weg finden. Je nach Ausprägung bzw. Intensität der Belastung mit oder ohne therapeutische Hilfe.


Grundsätzlich gilt: Hört in euch hinein und spürt, was euch guttut. Sorgt gut für euch selbst und sorgt für die Befriedigung eurer Bedürfnisse, um euch vor allem physiologisch und auf sozialer Ebene gesund und sicher zu fühlen. Findet einen Ausgleich für Stress im Alltag, um eine gesunde Balance zu halten, und ihr seid schon auf dem besten Weg eure (Alltags-)Erlebnisse zu verarbeiten – auf gesunde Weise!

Manche Wunden brauchen Zeit zu heilen, aber man kann und muss meist aktiv etwas für die Gesundwerdung tun – und das auf allen Ebenen: Körper, Geist und Seele.


Gesundheit durch positive soziale Beziehungen


Fakt ist, dass vor allem unsere sozialen Beziehungen und positiven Bindungserfahrungen uns diese Gefühle von Geborgenheit, Sicherheit und Vertrauen schenken, die durch belastende und traumatische Erlebnisse oftmals verloren gehen und unsere Fähigkeit zur Selbstregulation nachhaltig einschränken. Genau deshalb sind positive Beziehungserfahrungen auch so essenziell für unsere Heilung.


Dazu möchte ich noch auf das Ergebnis der über 80 Jahre andauernden Harvard Study (2021) verweisen, welches belegt, dass „…unsere Beziehungen und wie glücklich wir in unseren Beziehungen sind, einen starken Einfluss auf unsere Gesundheit haben.“ (Zitat Robert Waldinger, Direktor der Studie, Psychiater am Massachusetts General Hospital und Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School). Ausschlaggebend für die Gesundheit der Probanden im hohen Alter war laut Waldinger die Zufriedenheit mit ihren Beziehungen.


Positive und als wohltuend erlebte Kontakte sind demnach nicht nur wichtig für unser Glück und unser seelisches Wohlbefinden, sondern auch für unsere körperliche Gesundheit.


Und dazu gehört allem voran der gute Kontakt zu uns selbst.



Caroline Pitz


Quellen zur Forschung/Studie: VfP, Alexander Hüttner (Diplom Psychologe und Heilpraktiker für Psychotherapie), Caroline Hübner (Psychologin (M.Sc.) und Heilpraktikerin für Psychotherapie)





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